- Raffi
Küstemutti und die Müdigkeit
"Wie geht es dir?" - "Müde.
Meine aktuelle Standartantwort. Bis vor zwei, drei Monaten habe ich mir noch die Mühe gemacht, höflich zu lügen. "Mir geht es gut, alles super, wie ist es bei dir?"
Jetzt grade bin ich sogar zu müde zum lügen.
Nr. Eins schlief eigentlich recht früh durch, Nr. Zwei mittlerweile eigentlich auch. Meistens. Und trotzdem fallen mir den ganzen Tag lang die Augen zu.
Das verstehen allerdings die meisten leider nicht. Sobald sie erfahren, das meine Kinder eigentlich durchschlafen, kann keiner die Müdigkeit nachvollziehen. Und sowieso. Ich habe doch Elternzeit. Da trinke ich doch eh den ganzen Tag nur Tee mit anderen Muttis, oder?
Mein Tag beginnt zwischen fünf und sechs - je nachdem wie lange Nr. Zwei schläft. Ich mache Frühstück für Nr. Eins, Zwei und den Mann, mache die Kinder fertig, räume die Reste wieder weg, nachdem Nr. Eins und der Mann weg sind. Nr. Zwei kommentiert dabei alles lautstark, er findet Liegen grade mehr als langweilig und möchte eigentlich nur getragen werden. Es wird Wäsche gewaschen (sooo viel Wäsche), aufgeräumt und Staub gesaugt. Dann tue ich mir tatsächlich noch so Dinge wie Sport an (ein bisschen etwas für mich unter den Argusaugen des Sprösslings) und Babyschwimmen. Dann wird Nr. Eins wieder aus dem Kindergarten abgeholt, zweimal die Woche hat er nachmittags Sport, ansonsten wird gespielt. Und Leute, mit einem fast vierjährigen nach seinen Regeln zu Puzzeln, Lego oder Memory zu spielen, das gleicht einem Leistungssport. Abendessen wird vorbereitet, Abendessen wird koordiniert und wieder weggeräumt, Kinder gewaschen, umgezogen und ins Bett verfrachtet, die Sachen für den nächsten Tag rausgesucht. Dann mache ich mich selbst fertig und bis ich endlich auf der Couch sitze, ist es meist 21 Uhr.
Dann ist aber noch nicht Ruhe - Nr. Zwei verliert zur Zeit seinen Schnuller gerne alle halbe Stunde, also wieder hoch.

Da der Mann neben dem Vollzeitjob noch studiert und das Lernen somit auf Abends fällt, treffen wir uns häufig erst gegen 22 Uhr auf dem Sofa - und dann will man ja noch bisschen Zeit zu Zweit verbringen. Dementsprechend passiert es schnell, das man erst um Mitternacht ins Bett kommt.
Von Mitternacht bis fünf Uhr morgens ist nicht viel Zeit - vor allem nicht, wenn das Baby auch jetzt noch zwei, drei Mal nach dem Schnuller verlangt oder manchmal ab vier wach ist, oder auch von zwei bis vier...
In manchen Ländern wird Schlafmangel als Foltermethode benutzt.
Und somit schleift man sich dann seit Wochen mit nur drei bist fünf Stunden Schlaf durch den Tag.
Ich will hier auch wirklich gar nicht jaulen. Die meiste Zeit geht es mir tatsächlich gut, man gewöhnt sich an den Zustand und ist erstaunt, wieviel man aushalten kann, ich bin glücklich und ich liebe meine Quälgeister über alles - aber es ist halt manchmal alles ein bisschen schwerfällig.
Ich möchte auch nur für ein bisschen Verständnis Müttern und Vätern gegenüber werben, die trotz schlafender Kinder beim Essen gehen permanent gähnen oder einen Couchabend einem Kinoabend vorziehen.
Kinder sind Arbeit - körperlich wie geistig. Mit dem einen Unterschied: Der Job endet nicht nach acht Stunden. Und eine Mittagspause gibt es in der Regel auch nicht. (Die Bezahlung ist mehr als bescheiden...)
Man ist immer da, rund um die Uhr und das ist tatsächlich einmal kein Klischee.
Wenn ihr, die ihr noch keine Kinder habt, uns, die kleine Kinder haben, eine echte Freude machen wollt, gebt uns einfach einen ruhigen Ort zum Durchschlafen. Eine Matratze am Boden tut es auch, wir sind da echt nicht wählerisch.