- Raffi
Küstenmutti, Meckermama und Supermom
Mama schimpft. Mama will immer, dass aufgeräumt wird. Mama besteht auf die pünktliche Bettzeit. Mama erlaubt keinen Süßkram zum Abendbrot. Und keine Kekse zum Frühstück. Mama treibt im Kindergarten beim Anziehen an. Mama hat nicht immer stundenlang Zeit zum Spielen.
Diese Liste ist leider noch so viel länger.
Ja, Mama ist ein Spielverderber. Oft. Es gibt Momente, da möchte ich bei einem weiteren "Nein" selbst einfach nur noch brechen, da bin ich wirklich eine Meckermama. Wobei ich auch gleichzeitig das Gefühl habe, dass Nr. Eins sich manchmal absichtlich nur Themen aussucht, bei denen er von Anfang an weiß, dass meine Antwort nein lauten wird.
Nach einem arbeitsreichen Tag, der gegenwärtig hauptsächlich aufregend aus Essen machen, Windeln wechseln, Flasche geben, Wäsche waschen, Kinder von A nach B kutschieren, Saugen und Wischen, zwischendurch das -zigste Mal das Treckerpuzzle puzzeln oder Legotürme bauen besteht... einem Tag, an dem ich wirklich alles für jeden gemacht hat... bekomme ich kein: Hast du toll gemacht.
Stattdessen hat mein Großer grade nur drei Tiraden drauf:
1. "Das ist unfair!" (Alles ist unfair, ich, die Jacke, die nicht gleich zugeht, die Stufe, über die er stolpert, der Legostein, auf den er drauftritt...)
2. "Ich habe noch nie.... (Ferngesehen, Lego gespielt, den Minionspulli getragen, etc...)!"
3. "Dann lade ich dich nicht zu meinem Geburtstag ein!"
Nr. Eins ist ja, wie bereits schonmal erwähnt, grade in der Trotzphase. Er ist einfach.... anti. Auch Dingen gegenüber, die er eigentlich mag. Aber sobald der Vorschlag von mir kommt, wird er pauschal ersteinmal abgelehnt. Ich habe es mal ausgetestet, indem ich ihm vorschlug, dass wir seinen Lieblingsfilm von Thomas gucken könnten.
"Nein, der ist doof, immer Thomas Mama, immer immer Thomas..." maulte er direkt.
Er wollte lieber Bob gucken. Also habe ich ihm Bob angemacht. Nach einer halben Folge kam dann: "Ich wollte aber doch Thomas gucken! Ich habe ja noch nie Thomas geguckt!"
Ergo - ich kann schon aus Prinzip momentan nichts richtig machen.

Aber was ist das? Der Haustürschlüssel? Ah. Nr. Eins wird ganz aufgeregt und rennt zur Tür. Papa ist da. Papa bekommt eine Umarmung. "Papa, spielst du mit mir?"
Ja, ich bin ein bisschen neidisch manchmal. Auch auf den Abstand, den mein Mann tagsüber von den Kleinen hat. Wenn er nach Hause kommt, ist er auch kaputt, na klar. Er hat einen sehr anstrengenden Job und ich bin sehr dankbar für alles, was er uns damit ermöglicht - unter anderem auch die sorgenfreie Elternzeit - aber für ihn sind die Kinder abends quasi die Abwechslung. Er hat meistens noch die Geduld, das eine bestimmte Buch das hundertste Mal vorzulesen und einer weiteren Wutattacke von Nr. Eins ruhig standzuhalten.
Dementsprechend ist Nr. Eins sehr auf seinen Vater fixiert. Das ultimative Ziel ist für ihn, so wie sein Vater zu werden. Er misst seine Pläne nicht in Tagen oder Jahren, sondern im Papameter. Er kann Auto fahren, wenn er einen Bart wie Papa hat. Er kann Kaffee trinken, wenn er so groß ist wie Papa. Er brauch nachts keine Windel mehr, wenn er zur Arbeit geht wie Papa (na, ich hoffe, das passiert eher...).
Ich bin stolz auf meinen Mann, er ist ein großartiger Vater und der Held meiner Kinder.
Ich gebe aber zu, an manchen Tagen sticht es ein bisschen, wie selbstverständlich meine Arbeit und Anwesenheit für Nr. Eins ist und ich wäre auch gerne öfter mal sichtbar seine Heldin.
Dann rede ich mir aber ein, dass das ja wahre Helden ausmacht - da sein, wenn man gebraucht wird, nichts einfordern und nicht drüber reden (gut - in letzterem habe ich wohl grade verkackt).
Letzte Woche wurde er plötzlich sehr krank, inklusive 40 Grad Fieber. Er aß und trank nicht, redete nicht (spätestens jetzt wissen alle, die ihn kennen, wie ernst es tatsächlich war) und schlief immer wieder ein. Auftritt Supermom.
Ich trug seine 17 kg klaglos durch die Gegend, flößte ihm schluckweise Wasser ein, wärmte die Klobrille vor (jeder mit einer fiesen Grippe weiß, wie weh ebendiese tun kann, wenn man so berührungsempfindlich ist), fuhr mit ihm zum Arzt (erschlug diesen beinahe, als seine schlausten Tipps aus Mutterliebe, erstmal abwarten und selbst nicht krank werden bestanden - oh, vielen Dank, ich dachte, Grippe zu haben wäre total angesagt diesen Monat!) und entfernte Erbrochenes aus dem Kopfkissen.
Und tatsächlich - Nr. Eins war ziemlich anhänglich. Er kuschelte sich an mich, schlief bei mir ein und sagte mir einmal von sich aus, wie lieb er mich habe.
Auch wenn es egoistisch ist und ganz wenig heroisch daherkommt - ich habe dieses anschmiegsame Kind genossen. Nein, ich gönnte ihm die Krankheit nicht, hätte ich gekonnt, hätte ich sie auf mich genommen. Aber ich nahm die Nebenwirkungen hin und machte das Beste draus.
Anscheinend bin ich doch nicht Supermom, sondern ihr böser Zwilling. Muhahaha.