- Raffi
Küstenmutti und das ewig schlechte Gewissen
Achtung, Achtung. Es folgt ein kleiner mimimi-Beitrag.
Mein Mann und ich haben unseren Urlaub für dieses Jahr planen müssen.
Man, ich hatte soooo schlechte Laune.
Wieso?
Wenn wir in diesem Jahr zwei Wochen alle zusammen haben wollen, müssen wir die Kinder vier (!!) Wochen im Jahr bei Oma und Opa unterbringen. Die finden das ja immer super... aber ich denke immer: "Eigentlich ist das doch meine Aufgabe."

Nr. Eins kommt dieses Jahr in die Schule. Das heißt, ab jetzt gibt es Ferien - Herbst/Weihnachten/ Ostern/Sommer. Und dazu Brückentage und Zeugnisferien.
Ich habe 27 Tage Urlaub. Das reicht vorne und hinten nicht.
Ade drei Wochen Sommerurlaub am Stück. Die Herbstferien wollen ja auch abgedeckt werden!
Aber ich schweife ab. Sorry, passiert manchmal.
Auf jedenfall saßen wir also da und stellten fest, wie oft wir unsere Kinder nicht selbst betreuen können. Mir war echt zum Heulen zumute.
Kinder bedeuten von Anfang an auf ewig ein schlechtes Gewissen.
Und ich meine in meinem Fall von Anfang an, da beide Söhne Kaiserschnitte waren. Ja, mein Kopf weiß, es war notwendig und nicht gewünscht, aber mein Herz denkt bis heute, etwas nicht geschafft zu haben.
Und dann.
Warum schreit das Baby? Warum schläft es so lange? Warum schläft es nicht? Kümmere ich mich nicht richtig? Darf ich ohne Baby weggehen? Darf ich mein Baby wirklich schon mit drei Monaten kurz alleine mit Oma lassen? Mein Baby will nicht ins Tragetuch, aber das soll doch so bindungsfördernd sein... was bedeutet das jetzt für unsere Bindung? Die Kinder wollen nicht im Familienbett schlafen, aber nur das soll doch richtig sein? Das Baby schreit seit Wochen ununterbrochen und ich bin so wütend - oh, und ein schlechtes Gewissen habe deswegen jetzt auch. Überraschung.
Dann kommt die Arbeit. Elternzeit - wie lange? Kita mit einem Jahr - ja oder nein?
Obwohl meine beiden von Anfang an sehr gerne in die Kita gegangen sind und da wunderbar aufgehoben sind, hatte ich ein schlechtes Gewissen.
Und dann geht es richtig los.
Mütter. Immer für zwei krank. Wer kennt den Spruch nicht?
Nr. Zwei ist wieder mit Fieber aufgewacht. Wer kann heute kindkrank machen, wer hat weniger wichtige Termine auf der Arbeit?
Das Kind fragt morgens hundemüde "Warum können wir nicht mal zuhause bleiben heute?" Weil es nun einmal so ist. Finde ich das gut? Nein. Dabei gehe ich durchaus gerne Arbeiten, ich mag meinen Job und meine Kollegen - aber ich würde meinen Kindern auch gerne gleichzeitig eine 24-Betreuung geben.
Also hat man ein schlechtes Gewissen den Kollegen gegenüber, mit den Gedanken nicht mehr 100%ig dabei zu sein. Ein schlechtes Gewissen den Kindern gegenüber, weil man aber auch nicht 100%ig bei ihnen sein kann. Ein schlechtes Gewissen sich selbst gegenüber, weil man sich selbst zu oft vergisst. Dem Partner gegenüber. Dem Haushalt. Den Freunden.
Du willst allen gerecht werden und schaffst es nicht mal annähernd.
Ich weiß, das klingt jetzt arg negativ und ich will potentielle Eltern oder Neueltern auch nicht abschrecken.
Achtung, es folgt ein Klischee: Ja, dass ist es wert. Und es ist halt keine Logik in der Entscheidung, Kinder zu bekommen.
Sie sind laut, dreckig, teuer und lassen dich vorschnell altern --> Sorgen, schlechtes Gewissen, Stress, Schlaflosigkeit.... "Die vier S des Grauens".
Und noch ein Klischee: Sie geben so viel. Kein Außenstehender kann das Gefühl verstehen, wenn der Zweijährige auf dich zukommt und "Kussi und Ummarmum" fordert. Oder den Stolz, wenn er sich das erste Mal den Reißverschluss seiner Jacke selbst aufmacht. Wenn er sich auf deinem Schoß zu einer Kugel zusammenrollt, um zu Kuscheln.
Kein Außenstehender kann das Gefühl verstehen, das man verspürt, wenn der Fünfjährige "Du siehst aber echt toll aus, Mama!" zu dir sagt oder das Staunen, wenn er dir eine Geschichte, die er nur einmal gehört hat, Wort für Wort wiedergeben kann.
Für andere mag es übertrieben oder lächerlich sein, wenn man sich über das erste selbst geschmierte Brot der Brut nicht wieder einkriegen kann.
Die Eltern-Kind-Beziehung besteht nun einmal zu 99% aus Klischees.
Die übersprudelnde Liebe, die abgrundtiefe Angst, der Ärger, die Trotzanfälle, die unaufgeräumten Kinderzimmer, die Diskussionen am Essenstisch, ob Kohlrabi essbar ist oder nicht, die Streitereien unter Geschwistern... es stimmt alles. Bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger.
Und auch das schlechte Gewissen gehört halt dazu. Ich weiß das. Macht es oft nicht einfacher, aber es lässt mich die Zeit mit meinen Kindern auch einfach intensiver nutzen.
Ich bin froh und dankbar, das wir Omas und Opas und Tanten haben, die einspringen können, ohne sie könnte es nicht so laufen, wie es läuft.
Und für dieses Jahr hoffe ich, mein schlechtes Gewissen einfach mal öfter abschalten zu können.