- Raffi
Küstenmutti und das goldene Schweigen
Ja. Man wartet sehnsüchtig auf die ersten Worte. Muddi hofft heimlich, daß das erste gesprochene Silber eben „Mama/Mami“ lauten wird, Vaddi drückt die Daumen für sich. Und dann kommen sie auch irgendwann, die erhofften ersten Laute.
In Nr. Eins Fall recht früh – mit knapp neun Monaten in Form von: „Gutentaggutentaggutentag…“ in einer Endlosschleife. Noch vor unserer Betitelung wünschte er also Gott und der Welt einen „Guten Tag“. Dann nahm der Wortschatz aber rapide zu, und mit zwei Jahren konnte man schon richtige Konversationen führen. Was haben wir uns gefreut. Was waren wir stolz.
Was waren wir naiv.
Mit der gleichen Inbrunst, mit der wir damals die ersten Gespräche mit unserem Spross ersehnt haben, ersehnen wir jetzt…. Das Gold. Das Schweigen. Wenigstens mal fünf Minuten am Stück.
Nr. Eins ist furchtbar intelligent (natürlich ist er das, er ist das intelligenteste Kind auf der Welt, was denkt ihr denn?) und dementsprechend fragt und fragt und fragt und erzählt er. Kein Gedanke wird schweigend gedacht. Eine Autofahrt sieht so aus:
„Da, ein Trecker mit Anhänger! Mit vier Rädern und Anhänger! War das eine Polizei? Ein Notarzt? Ah. Wohin fährt der? Brauch jemand Hilfe? War da ein Unfall? Warum? Ist der Motor kaputt? Jetzt bin ich traurig. Da ist eine Waschstraße. Können wir in die Waschstraße? Da sind ganz große Zahnbürsten drin, aber nur für Autos, nicht für Zähne! Warum nicht? Die Ampel ist rot, Mama! Anhalten! Biegen wir links ab? Nein? Wo lang denn?....“
Aufräumen und Einkaufen sind auch nur mit einem solchen permanenten akustischen Signal möglich. Oh, und ins Bett bringen. Niemals werde ich mit meinem Kleinkind diskutieren! Was ich sage, ist Gesetz! dachte ich anfangs noch selbstsicher.
Heute erwische ich mich dabei, wie ich abends um acht durchs Babyphone (ja, verurteilt mich, ich habe so ein Ding mit Gegensprechanlage und Videoüberwachung. Und ich liebe es!) diverse Streitgespräche mit Nr. Eins führe, in denen wir das Für und Wider des Schlafes auspalabern und ich Begründungen dafür finden muss, warum es keine weitere Gute-Nacht-Geschichte gibt.
Richtig erfreulich wird das Talent der Sprache, wenn es um den allzu bekannten Kindermund geht. Ihr wisst schon – Kindermund tut Wahrheit kund…. Aber eigentlich sind es ja selten angenehme Wahrheiten, sondern grundsätzlich die Peinlichen. War es vor anderthalb Jahren noch meine vierjährige Nichte, mit der ich meinen Sohn von der Krippe abholte, die mir ein laut geflüstertes, kaum zu überhörendes „Der Mann da vorne ist aber dick, oder?!“ zukommen ließ, ist es heute mein dreieinhalbjähriger Sohn, der mich regelmäßig erröten lässt.

„So, komm Nr. Eins, wir wollen weiter.“ – „Aber ich kann nicht, der Mann steht da im Weg!“ - „Das ist eine Frau.“ – „Die hat gar keinen Zopf und keine Brust!“ – „Ich habe aber doch auch keinen Zopf!“ – „Aber eine große Brust.“ – „Nicht jede Frau hat eine große Brust.“ - „Du bist keine Frau, du bist Mama“. Aha. Danke.
„Warum hat der Mann keine Zähne? Waren Karius und Baktus da?“
„Der blöde Mann versperrt den Weg!“
„Hast du aber einen dicken Bauch! Hast du da auch ein Baby drin?“
„Warst du im Planschbecken, Opa?“ (Opa hat im Sommer geschwitzt und war dementsprechend nass.)
„DU SOLLST MICH NICHT SCHUBSEN, MAAMMAAAA!“ (Ich habe ihn nicht geschubst, ich habe ihn an der Schulter ein bisschen beiseitegeschoben, weil da ein Radfahrer kam. Wobei ich mich da wohl noch glücklich schätzen kann – ich habe von einer Bekannten gehört, deren Sohn sich im Laden hinschmiss und laut brüllte: „Nicht schon wieder hauen, Mama!“ weil Mama im ein Ü-Ei verboten hat und schimpfte….)
Ihr seht, meine Lieben - es ist ein täglicher Quell von Freude, ich könnte noch lange so weiter machen.
Und die Moral von der Geschichte? Pass auf, was du dir wünschst. Es könnte wahr werden. ;)