- Raffi
Küstenmutti und die Schlafparty
Wann wart ihr das letzte Mal auf einer Schlafparty?
Meine ist ca. 4 Jahre her. Und es war furchtbar. Um es mit Murtaugh zu sagen: Ich bin zu alt für diesen Scheiß. Wir waren alle betrunken und lagen mit fünf, sechs Frauen im Wohnzimmer verteilt auf Sofas und Matratzen herum, ich bekam keine halbe Stunde Schlaf, weil eine schnarchte wie ein Berserker und die Couch so unbequem war.
Die Party war super, aber danach sehnte ich mich nach meinem Bett. Party - yaaay, Schlaf - yaaay, Schlafparty - nope.
Heute übernachte ich ab und zu mal bei einer sehr guten Freundin in Hamburg, wenn ich sie besuche und ich fühle mich auch immer sehr wohl und willkommen dort. Aber es hat auch jede ihr Bett und ihren Schlaf. Ich dürfte mich vermutlich auch noch willkommener fühlen, als ich denke, aber irgendwie hat man - oder vielleicht ticke auch nur ich so - immer Angst, Umstände zu machen.

Mein Problem: Die Sorglosigkeit kleiner Kinder ist mir abhanden gekommen.
Wie ich das meine?
Nr. Eins' Kumpel N. hat letzte Nacht hier geschlafen. Mein Großer war den ganzen Tag total aufgeregt und räumte sein Zimmer extra ordentlich auf, er suchte sogar die Bettwäsche für seinen Gast aus und legte Kuscheltiere bereit. Für ihn war das ganze Vorhaben eine Art Party.
Als N. dann endlich eintraf, wurden direkt Pläne geschmiedet, wie der Abend zu verlaufen hat. "Wollen wir spielen? Kleines Lego? Mit den Cars Autos? Guck mal, die Musikmatte. (Ein Geschenk aus der Hölle - eine Matte, die als Keyboard und Schlagzeug fungiert, wenn man sie berührt.... wir warten nur darauf, dass der Schenker selbst Kinder bekommt....) Hast du die Bettwäsche gesehen? Dürfen wir Fernsehen? Welches Hörspiel wollen wir beim Schlafen hören?"
Selbst das Abendessen mit Gast ist plötzlich ein Abenteuer. Ein lautes, manchmal etwas ausuferndes Abenteuer. Wer kann schneller Essen? Wer macht mehr Faxen? Warum ist dein Becher so bunt und meiner nicht?
Zähneputzen zusammen ist natürlich auch viel lustiger, als alleine und natürlich macht einer es immer besser als der andere.
Nahm ich gestern alles andere eher mit milder Belustigung wahr (Ach, Kinner, wat süß...), berührte mich ein Satz, bzw. die Art, wie er hervorgebracht wurde, aber unvermittelt sehr. Nr. Eins und N. sollten ins Bett und während sie die Treppe zusammen hochgingen, guckte mein Kind seinen Freund mit sooo großen leuchtenden Augen an und kicherte: "Wollen wir gleich noch quatschen im Dunkeln? So wie bei dir letztes Mal?"
Mal abgesehen davon, dass ich den Ausdruck quatschen aus dem Mund eines Vierjährigen zum Schreien komisch fand, war es einfach rührend, wie sehr die beiden alles genossen und wie aufregend solche "Events" für Kinder noch sein können.
Das war der Moment, in dem ich dachte: Das ist Kindheit. So soll es doch sein.
Bis halb zehn (psst!) waren die beiden noch wach, haben sich unterhalten und leise mit Kuscheltieren gespielt. Optimistisch dachte ich noch: Klasse, da können wir ja morgen ein bisschen ausschlafen. Ha. Ha.
Während ich, wenn ich woanders schlafe, morgens möglichst versuche, lautlos und unsichtbar zu sein, um niemanden zu wecken, brüllte heute morgen dann um sieben die Muuuuusiiiiikmatte los. Gnadenlos.
So viel zum Thema ausschlafen.
Nr. Eins und N. amüsierten sich königlich und waren direkt wieder im Tagesgeschäft, direkt im Moment.
Wir haben heute einen schönen Vormittag draußen verbracht und gleich bringe ich N. dann wieder nach Hause. Noch spielen sie auf dem Boden mit Autos, tatsächlich noch ganz friedlich. (Bei aller Idylle, die beiden können durchaus auch kleine Giftzwerge sein.)
Manchmal beneide ich meine Kinder. Sie vertrauen noch so bedingungslos, können sich im Schlafen und im Spielen noch so fallen lassen, alles einfach genießen. Sie wissen, es kümmert sich jemand, es ist immer jemand da, es ist eine Sorglosigkeit, die - und das wissen wir ja alle - irgendwann, je älter man wird, schwindet. Sie rechnen sich nachts nicht aus, wie viel Schlaf sie noch haben, ob sie es noch schaffen, die Wäsche vor der Arbeit anzuschmeißen, ob der Einkauf noch zwischen Sport und Arzt und ob der Pulli auch wirklich zur Hose passt, ob das Essen nicht nur schmackhaft, sondern auch gesund ist.
In diesem Haus sind mein Mann und ich für diese Gedanken zuständig. Und auch wenn es Zeiten gibt, in denen ich mir selbst auch mehr Sorglosigkeit wünsche, wünsche ich sie mir noch so viel mehr für meine Kinder, auf dass sich jede Übernachtung wie eine Party anfühlt.